Inhaltliche Ausrichtung

Sicht – Meditation – Aktivität

Die spirituelle Praxis im Ekayana-Institut berücksichtigt drei zentrale Aspekte: (1) Sicht, (2) Meditation und (3) Aktivität. Sie bedingen und verstärken einander. Diese Dreiteilung stammt aus der spätbuddhistischen Tradition des Mahamudra, lässt sich aber bereits in dem von Buddha gelehrten Achtfachen Weg finden.

  1. Die Sicht ist unser sich ständig verfeinerndes Verständnis vom eigenen Geist und von unserem Sein in der Welt. Sie wird durch Unterweisungen, Studium und kontemplative Betrachtung geprüft und vertieft. Eine offene und zugleich reife Sicht ist die Basis für ein interessiertes Erforschen des Geistes und unserer Möglichkeiten, in neue Freiräume vorzustoßen. Wahre Sicht ist ein vorbehaltsloses Sehen, frei von vorgefassten Anschauungen.
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  2. Das weitergehende Erforschen des eigenen Geistes geschieht in der Meditation, wo wir die Sicht mit zunehmendem Gewahrsein leben und prüfen. Wir verstehen unser mit allem vernetztes Sein in dieser Welt, durchwirkt von vielen Kräften, was uns neue Möglichkeiten des Gestaltens eröffnet. Wir erleben innere Freiheit im bedingten Sein, was den herzgefühlten Wunsch hervorbringt, die entdeckten Freiräume auch anderen zugänglich zu machen. In der Meditation verstehen und begrüßen wir unser Miteinander in dieser Welt. Wir sehen, wie abhängig wir voneinander sind, wie wir einander bedingen und angewiesen wir aufeinander sind.
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  3. Diese Einsicht begleitet uns dann in der Aktivität, in den vielfältigen Formen des Umsetzens in Beziehungen, Familie, Beruf, Natur und Gesellschaft. Aktiv zu sein in der Welt braucht fortgesetzte Reflektion, Kontemplation und Meditation, um bei all den Herausforderungen immer wieder ins Gleichgewicht zu finden und unser Verständnis weiter zu vertiefen. Die Anforderungen in der Aktivität lassen uns deutlicher sehen, was Mensch braucht und worum es in der Meditation eigentlich geht: uns so zu schulen, dass wir „in der Tat“ immer hilfreicher in der Welt sein können. So fördern und bedingen sich die drei Aspekte der Praxis – Sicht, Meditation und Aktivität – wechselseitig.

Die befreienden Qualitäten

Die Grundlage der gemeinsamen Praxis sind die universellen befreienden Qualitäten (Skt. Pāramitā). Wir folgen zunächst der Liste der frühbuddhistischen Theravāda-Tradition, hier in Form von Wünschen:

  1. Freigebigkeit (dāna): Möge ich großzügig und hilfsbereit sein und freigebig alles Nützliche und Heilsame wie auch alles, was ich gelernt und verwirklicht habe, mit anderen teilen.
  2. Heilsames Handeln (sīla, śīla): Möge ich bei allem respektvoll handeln, freundlich, transparent und klar. Mögen mein Denken, Sprechen und Handeln voller Wohlwollen sein.
  3. Gelöstheit (nekkhamma, niḥsaraṇa): Möge ich mich aus dem Festhalten an Vorstellungen und Vorlieben lösen, wie auch aus dem Verlangen nach Anerkennung, Sieg, Gewinn und Macht. Möge ich dem bloßen Eigennutz entsagen und frei zum Wohl aller handeln.
  4. Weisheit (pañña, prajña): Möge ich weise die Dinge sehen, wie sie wirklich sind. Möge ich unterscheiden können, was nützlich und was schädlich ist. Möge sich das Licht des Gewahrseins in alle Bereiche ausbreiten und mich befähigen, auch andere in dieses Licht zu führen.
  5. Freudige Ausdauer (viriya, vīriya): Möge ich voller Energie, Kraft und Ausdauer konstruktiv handeln und das Wohl aller verwirklichen. Möge ich furchtlos den Gefahren und Herausforderungen begegnen und tapfer alle Hindernisse überwinden. Möge mich das befähigen, anderen von Herzen zu dienen.
  6. Geduld (khanti, kṣānti): Möge ich tolerant sein und fähig, meine eigenen Emotionen und Unzulänglichkeiten wie auch die anderer liebevoll anzunehmen. Möge ich sogar im Schwierigen das Gute erkennen, mich nicht aus der Ruhe bringen lassen, und geduldig den Weg innerer Schulung gehen.
  7. Wahrhaftigkeit (sacca, satya): Möge ich ehrlich, wahrhaftig und authentisch sein, ohne Unterschied zwischen Worten und Handlungen. Möge ich aufrichtig, mit Liebe zur Wahrheit, den Weg gehen.
  8. Entschlossenheit (aditthāna, adhiṣthāna): Möge ich inspiriert, entschlossen, charakterfest und willensstark sein im Verwirklichen des Wohles aller – und dabei so sanft und offen wie eine Blume und so standhaft und klar wie ein Fels.
  9. Liebevolle Güte (mettā, maitri): Möge ich gütig, freundlich und mitfühlend sein. Möge ich andere als Brüder und Schwestern betrachten, unsere Verbundenheit spüren und ihnen meine Liebe schenken.
  10. Gleichmut (upekkhā, upekśa): Möge ich gelassen, ruhig und voller Frieden sein, mit ausgeglichenem Geist. Möge ich fähig sein, alle Empfindungen und Gefühle mit Gleichmut in ihrer wahren Natur wahrzunehmen und frei von Hoffnung und Furcht den Weg des Erwachens gehen.

In der Mahāyāna-Tradition, zu der auch der tibetische Buddhismus gehört, ist die Liste der 10 befreienden Qualitäten ein wenig anders. Wenn wir die fehlenden noch hinzunehmen (frei nach dem Motto: zehn plus zehn macht fünfzehn), sind dies:

  1. Meditative Stabilität (jhana, dhyāna): Möge ich unabgelenkt, stabil und klar im Heilsamen verweilen und mich immer an das Wesentliche erinnern.
  2. Geschicktes Anwenden der Mittel (upāya): Möge ich besonders effektive Methoden der Geistesschulung lernen und damit den Weg des Erwachens gehen. Möge ich mitfühlend allen Lebewesen in ihren jeweiligen Welten mit den für sie am besten geeigneten Mitteln zur Seite stehen, so dass sie inspiriert werden und schnell in innere Reife, Befreiung und höchste Freude finden.
  3. Verwirklichen aller Herzensanliegen (pranidhana): Möge ich stets die Herzenswünsche und Aktivitäten aller Erwachten verwirklichen. Möge ich dabei mit dem Authentischen und Wahren verbunden sein und das Wohl aller Lebewesen bewirken, bis ihr Geist ein Buddha-Gefilde geworden ist.
  4. Kraft (bala): Möge ich die Stärke haben, alle verschleiernden und aufwühlenden Kräfte, die dem vollen Gewahrsein entgegenwirken, durch tiefe Analyse, Liebe, Mitgefühl, Segen und völlig gelöste Meditation zu überwinden.
  5. Gewahrsein (jñāna): Möge ich ganz im erwachten, zeitlosen Gewahrsein aufgehen, im völlig natürlichen, nicht getrennten Erleben dessen, wie die Dinge wirklich sind – in der Einheit von Saṃsāra und Nirvāṇa.

Die Praxis dieser Qualitäten – ganz auf unserem Niveau – ist das Anliegen der Ekayana-Gemeinschaft.

Selbstverantwortung

In allen Bereichen des Lebens im Grünen Baum wird ein Geist der Selbstverantwortung gepflegt. Das ist leichter gesagt als getan. Wir sind oft versucht, stärker auf andere zu hören als auf unsere eigene innere Stimme, vor allem auch, weil wir es vielleicht noch nicht gelernt haben, die inneren emotionalen Stimmen von der Weisheits-Stimme zu unterscheiden. Aber genau darum geht es: um das Entwickeln des „inneren Lamas“, wie die tibetische Tradition sagt, oder des „inneren Piloten“ in der Sprache der Psychotherapie.

Basis ist eine natürliche innere Disziplin im Einklang mit unseren innersten Anliegen.

Wenn wir in Einklang sind mit unseren inneren Anliegen, wird die Praxis leicht, auch wenn wir dabei emotionalen Herausforderungen begegnen – was ja durchaus gewollt ist. In einem Retreat (“Zurückziehung”) geht es darum, unbearbeitete emotionale Muster hervorzuholen und mit emotionalen Herausforderungen auf hilfreiche, lösende Weise umzugehen. Das Vermeiden von Emotionen macht keinen Sinn im Retreat und hat letztlich auch keine Chance – ein Retreat stimuliert und erleichtert das intensive Arbeiten mit unseren emotionalen Mustern. Dabei ist jeder von uns selbst verantwortlich, dass das emotionale “Aufräumen” tatsächlich stattfindet und dass wir die Arbeit fein dosieren, um uns nicht zu überfordern. Das heißt, jeder lernt zu spüren, wann es ums Intensivieren und wann es ums Entspannen geht – das sind die feinen Ausgleichbewegungen in der persönlichen Praxis.

Wir möchten im Grünen Baum möglichst wenige Regeln aufstellen (Praxiszeiten, Auszeiten, Verhaltensregeln, Fleischgenuss, Alkohol, Kleidung und dergleichen). Mensch ist geneigt, sich selbst und anderen vorzuschreiben, wie er sich als guter Mensch verhalten soll. Doch Regeln geben nicht nur Halt, sie erzeugen auch unnötige Widerstände und den Wunsch, sie zu brechen, sowie Schuldgefühle, wenn Mensch sich anders verhält. Regeln verstärken die soziale Kontrolle: einander zu beobachten, sich beobachtet zu fühlen und das eigene Verhalten darauf abzustimmen, was andere wohl denken mögen. Deswegen beherzigen wir lieber die Goldene Regel:

„Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest.“ oder

„Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“

Aus dieser Basis des Respekts und Sich-Einfühlens, der Würde und Fürsorge leitet sich alles Handeln ab. Wie das jeweils konkret aussieht, muss jeder selbst ermessen. Dabei hilft der Leitsatz, der die buddhistische Lehre zusammenfasst:

Lasse das Schädliche, tue das Heilsame und meistere den eigenen Geist.

Die Umsetzung dieses Leitsatzes wird überall in der buddhistischen Lehre beschrieben.

Wer hat die Schirmherrschaft?

Die Ekayana gGmbH und damit auch das Retreathaus Grüner Baum und der Norbu Verlag sind unabhängig und kein Teil einer größeren Organisation; das Projekt steht nicht unter der Schirmherrschaft einer bestimmten Linie oder eines Meisters. Die spirituelle Ausrichtung ist allerdings aufgrund der Ausbildung der Lehrer*innen eng mit der Übertragungslinie der tibetischen Meister Gendün Rinpoche und Karmapa verbunden und gründet in der tibetischen Karma-Kagyü-Tradition. Doch gibt es organisatorisch keine spezifische Zugehörigkeit oder bestimmte Schirmherren – bewusst nicht. Interessierte können ihre persönlichen Lehrer*innen, sei es in tibetischen Linien, im Zen oder im Theravada, fragen, ob sie an Retreats im Grünen Baum teilnehmen dürfen. Mit jeder Zustimmung erweitert sich die spontane Schirmherrschaft! Der Segen von Lehrer*innen, die sich über solch ein selbständiges, traditionsübergreifendes Projekt freuen, fließt automatisch. Ihre freudige Anteilnahme macht sie zu Unterstützern des Projektes und sie werden Schüler*innen mit ihrem Segen dorthin schicken. Wo spontane Freude entsteht, fließt spontaner Segen. Dies geschieht bei Lehrern aller Linien und so wird die Schirmherrschaft traditionsübergreifend. Wir verstehen uns als einen Ort tiefer Praxis außerhalb traditioneller Rahmenbedingungen, der eine echte Alternative darstellt zu den traditionsgebundenen Orten, von denen es viele gibt. Es liegt in der Natur des Projekts, sich nicht um eine spezifische Schirmherrschaft zu bemühen. Zudem fließt der eigentliche Segen, der ins Erwachen führt, aus der allerinnersten Zuflucht, der Natur des Geistes, dem Dharmakaya, und aus der Freude der Beteiligten, ihrer aufrichtigen Motivation und ihren meditativen Erfahrungen und Verwirklichungen, das heißt: aus dem Dharma selbst, das heißt aus dem Umsetzen dessen, was zutiefst heilsam wirkt. In dieser Haltung stützen wir uns auf die Unterweisung zu den Vier Stützen (Skt. catvāri pratiśarāṇi, Tib. rton pa bzhi), die in allen Dharma-Traditionen zu finden ist, angefangen von der berühmten „Lehrrede an die Kalamas“[1]:

1. Stütze dich nicht auf Personen, sondern auf den Dharma.

2. Was den Dharma angeht, stütze dich nicht auf die Worte, sondern auf den Sinn.

3. Was den Sinn angeht, stütze dich nicht auf die vorläufige Bedeutung, sondern auf die definitive, letztendliche Bedeutung.

4. Was die letztendliche Bedeutung angeht, stütze dich nicht aufs dualistische Bewusstsein, sondern aufs nichtbegriffliche, zeitlose Gewahrsein.

Prüfe also selbst, ob der Rahmen, wie ihn der Grüne Baum bietet, für Dich stimmig ist und frage bei Bedarf Deine Lehrer, ob sie Dein Engagement hier gutheißen.

Wir freuen uns über die Klarheit, die dadurch für Dich/Euch entsteht. Denkt aber daran, dass die Antworten von Lehrern auch Spiegel Eurer Haltung sind. Es braucht ein hohes Maß an Selbstverantwortlichkeit und Weisheit, um diese Fragen selber zu entscheiden und die obigen vier Punkte umzusetzen… und genau das ist die beste Voraussetzung, dass unsere Praxis in solch einer offenen, traditionsübergreifenden Atmosphäre aufblühen kann. [1] Anguttara Nikaya, Tika Nipata, Mahavagga, Sutta Nr. 65

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Erklärung zum Ekayana Logo

Ekayana Institut Logo mit Tagline

Das ausführliche Ekayana-Logo besteht aus

  • der Bildmarke (Kreis) ,
  • der Wortmarke (Name) sowie
  • dem erläuternden Schriftzug (Tag Line).

Bildmarke

Der Kreis symbolisiert Untrennbarkeit, Einheit und Zeigt Ekayana KreisLichthaftigkeit. In seiner Mitte ist eine gedachte Mondscheibe, die für erwachte Aktivität und den Geist des Erwachens steht. Die leuchtenden Übergänge und das leere Innere weisen hin auf die ungreifbare Natur aller Erfahrungen, ihren dynamischen Aspekt, die Freude des Erwachens und die leuchtende Weite des alles erhellenden Geistes.

Die 3 Farben verweisen auf die 3 Silben Oṁ Āḥ Hūṁ der tibetisch-buddhistischen Tradition, die für Körper, Rede und Geist des Erwachens stehen und, die jeweils weiß, rot und blau dargestellt werden. Auf einer tieferen Ebene symbolisiert der Kreis die Einheit der drei Dimensionen des Erwachens – mitfühlende Manifestation, freudige Dynamik und ungreifbare Offenheit.

Wortmarke

Der (grau-) weiße Name von Ekayana steht in diagonaler Wechselwirkung mit dem entsprechenden weißen Teil des Kreises, als würde die entsprechende Silbe Oṁ der erwachten Aktivität ins Ekayana ausstrahlen.

Erläuternder Schriftzug (Tag Line)

Ekayana bedeutet Ein Weg oder „Ein Fahrzeug“. Gemeint ist der eine (Eka) Weg (yāna), bei allem liebevoll gewahr zu sein. Dies ist die eine Essenz buddhistischer Praxis: gewahr zu sein und sich immer wieder auf das Wesentliche zu besinnen (sati, smti), d.h. auf Liebe, Mitgefühl und Weisheit.